Montag, 31. Mai 2010

Das Rennen

Um 4:50 hat mich der Wecker aus dem Bett geholt. Beim Morgenkaffee habe ich einen ganz kurzen Moment lang überlegt, ob ich mir das jetzt wirklich antun und statt zum Rennen zu fahren doch besser wieder ins Bett gehen sollte. Ein letzter, bösartiger Versuch des Inneren Schweinehundes, mich noch von meinem Ziel abzubringen. Einmal angezogen war der aber auch schon wieder völlig vergessen.

Um 6:00 Morgens war ich dann in der Wechselzone, habe noch einmal nach meinem Rad gesehen, meinen Beutel mit den Radsachen kontrolliert und die Startnummer fürs Radeln reingegeben. Eigentlich hatte ich ja vor, die Nummer gleich beim Schwimmen unter dem Neoprenanzug zu tragen, aber bei der Rennbesprechung hatte ich erfahren, dass das nicht erlaubt ist.

Das Wetter hat recht gut ausgesehen und zum Start der Profis um 7:00 hat dann sogar die Sonne ein wenig durch die Wolken geblinzelt. Da meine Altersklasse erst um 8:10 an der Reihe war hatte ich noch genug Zeit, mir das Treiben im Startbereich anzusehen, Rennluft zu schnuppern und einen Powerriegel zu essen, ehe ich mich in meinen Neoprenanzug gezwängt habe. Tom Valek, der Ö3-Mikromann, der selbst auch schon beim Ironman am Start war, hatte ein paar nette Worte für uns "Schwarzkappler", die Herren über 40 in den schwarzen Badehauben, übrig. Er meinte, wir sollten das Rennen, auf das wir uns so lange vorbereitet haben einfach nur genießen. Und genau das habe ich dann auch getan.

Dann endlich wurde auch ich ins Wasser gelassen. Die erste Überraschung war, das es gar nicht so kalt war wie ursprünglich befürchtet. Es sind nicht einmal die Zehen kalt geworden. 17 oder 18 Grad dürfte der See auf jeden Fall gehabt haben, angenehm genug zum Schwimmen jedenfalls.

Punkt 8:10 kam das Startsignal und damit hatte mein erster Triathlon begonnen. Sekunden später bereute ich schon, dass ich mir keine bessere Startposition ausgesucht hatte. Ich steckte mitten im Pulk der Schwimmer und hatte kaum Platz, um selbst richtig zu kraulen. Vor mir, hinter mir, links und rechts waren Arme, Beine und Köpfe und ich konnte eigentlich nichts tun, als mit der Traube, die sich für meinen Geschmack etwas zu langsam bewegte, mitzupaddeln. Erst nach gut 500 Metern lichtete sich das Feld ein bisschen und ich bin zumindest halbwegs ins Schwimmen gekommen. Das allerdings bei einem ganz lockeren Tempo, denn sobald ich etwas schneller wurde war ich auch schon wieder auf meinem Vordermann aufgeschwommen und bekam einen Tritt ab.

Wirklich besser ging es dann erst im zweiten See - wir mussten ja zwei Seen durchschwimmen und dazwischen einen Steg überqueren. Beim Reinspringen habe ich mir eine Position ganz am Rand ausgesucht und konnte dann zumindest ein paar hundert Meter alleine schwimmen, ehe sich das Feld vor dem Schwimmziel wieder zusammen schob und ich wieder eingebremst wurde. Als ich aus dem Wasser kam und auf meine Uhr sah war ich überrascht, dass ich trotz allem nur 40 Minuten für die Schwimmstrecke gebraucht hatte. Es war zwar ein wenig unangenehm wegen der vielen Leute im Wasser aber dafür gar nicht anstrengend.

Dann ging es weiter in die Wechselzone zum Rad, wo ich als Triathlon-Neuling gleich mit der nächsten Hürde zu kämpfen hatte: Dem Ausziehen des Neoprenanzugs. Achteinhalb Minuten habe ich in der Wechselzone gebraucht, um für das Radeln bereit zu sein. Erfahrene Triathleten wie mein Cousin Alexander, der mit Nummer 314 ins Rennen gegangen ist, schaffen das in der halben Zeit, die Profis brauchen überhaupt nur zwei Minuten.

Ich war jedenfalls froh, dass ich mein GoreTex-Langarmtrikot in den Bike-Sack gepackt hatte. Die meisten Triathleten sind gleich mit den nach dem Schwimmen nassen Mussle-Shirts losgeradelt, ohne sich noch etwas anzuziehen. So wäre ich nur losgefahren, wenn die Sonne gescheint hätte und die Prognose für den ganzen Tag sommerliche Temperaturen erwarten lassen hätte. Die Realität waren aber 15 bis 17 Grad, Wind und bald auch Regenschauer. Von Kilometer 20 bis 60 führte die Radstrecke an der Donau entlang und mehr als die Hälfte davon gab es teils heftigen Regen und Gegenwind.

Ich bin trotzdem mein Tempo gefahren und war bis zum Anstieg bei Gansbach mit gut 30 bis 34 km/h (davor auf der Autobahn sogar teilweise mit 40 km/h) unterwegs. Auf den danach folgenden Anstiegen habe ich mich etwas zurückgehalten und meine Kräfte geschont. Das hat sich geloht, denn ich bin trotzdem an etlichen vorbei geradelt. Einige haben ihre Räder sogar den Berg hinauf geschoben. Ich bin nicht einmal in die Nähe dieser Verlegenheit gekommen. Und mein schon einige Jahre altes Simplon Lumen, das ich gebraucht um 650 Euro gekauft habe, hat dabei so manches 5000 Euro Superbike stehen lassen.

Auch auf den letzten 30 Radkilometern ist es mir recht gut gegangen. Obwohl der Wind mitunter recht heftig geblasen hat. Aber zumindest war es dann kein frontaler Gegenwind mehr. Und mein GoreTex Shirt hat mich die ganze Zeit über schön warm gehalten. Die Superbikes sind dann wieder an mir vorbei gezogen, aber das war mir egal. Nach 3 Stunden und 3 Minuten (angepeilt hatte ich drei Stunden – also war exakt in meiner Zeit) war ich dann in der zweiten Wechselzone.

Vier Minuten hat das Umziehen gedauert (Alex #314 hat das in 2:28 Minuten erledigt). Als ich dann losgelaufen bin habe ich schnell gemerkt, dass es richtig war, beim Radeln nicht das Letzte aus mir herauszuholen. Schon bei den ersten Schritten spürte ich ein Ziehen in den Oberschenkeln– die letzte Warnung vor einem Muskelkrampf – und ich habe außerdem gemerkt, dass meine Beine schon etwas kraftlos waren. Also bin ich langsam losgelaufen, um überhaupt wieder in den Laufschritt zu kommen.

Nach den ersten Kilometern war klar, dass da nicht mehr viel los war. Und dass das keine besonders gute Laufzeit wird. Je länger das Laufen dauerte, umso anstrengender wurde es und ich musste immer öfter stehen bleiben, um etwas zu trinken und ein Gel-Säckchen oder etwas Obst zu essen. Ich hätte wohl besser noch auf den letzten Radkilometern etwas essen und tinken sollen.

Optimistisch wie ich war hatte ich vor dem Bewerb mit Kilometerzeiten von sechs Minuten gerechnet. Wenn ich wirklich super-hart zu mir selbst gewesen wäre, dann hätte ich auch die Laufstrecke vielleicht auch noch in der Zeit von zwei Stunden schaffen können. Ich hätte dann aber auch ebenso gut auf der Strecke hängen bleiben können. Keinesfalls wollte ich aber riskieren, am Ende so wie beim Wien-Marathon total verkrampft ins Ziel zu kommen. Also habe ich mein Sechs-Stunden-Ziel aufgegeben und mir selbst eine Viertelstunde Zeit mehr gegönnt.

Am Ende hat sich das gelohnt. So konnte ich auch die Laufstrecke bis zum letzten Kilometer genießen und kam nie in die Verlegenheit, aufgeben zu müssen oder wie so manche einfach nur noch gehen zu können. So bin ich nach 6:13:38,7 Stunden ganz locker und mit einem Lachen im Gesicht über die Ziellinie gelaufen und ließ mir stolz meine erste Ironman-Medaille umhängen. Yess! Die monatelangen Anstrengungen und Mühen waren doch nicht umsonst.

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Peter trainiert für den Ironman

Triathlon- und Trainingsblog

Über mich und dieses Blog

Peter Sempelmann *1968
Journalist, mit Stationen bei trend, profil. und WirtschaftsBlatt Verheiratet, Vater von zwei Kindern.

Dieses Blog wurde im November 2009 gestartet, um das Training für meinen ersten Triathlon, den Austria 70.3 Ironman (1,9 km schwimmen, 90 km radeln und 21 km laufen) im Mai 2010 zu dokumentieren und um nicht zu kneifen. Wie hätte denn ausgesehen. Erst groß bloggen und dann nicht durchhalten?

Ich habe mich durchgebissen, wie auch durch etliche weitere Triathlons und andere sportliche Abenteuer. In der Blog-History ganz zurückblättern oder das nachfolgende Link klicken, dann kann man den Weg vom Durchschnitts-Ei zum Ironman nachlesen.

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